1. Dorfbesuch - Dorfkernaufwertung vom 26.9.2017
Schweizweit stehen die Gemeinden vor ähnlichen Herausforderungen sei dies im Bereich Entwicklung, Versorgung oder Organisation. Der Umgang gestaltet sich dabei sehr unterschiedlich und ist von vielen Faktoren abhängig. Wie viele Regionen hat auch die Regio Wil mittels Agglomerationsprogramm (2. Generation) die Aufgabe mit auf den Weg bekommen, die Ortskerne aufzuwerten, Innenentwicklung zu betreiben. Aber wie? Mit der Veranstaltungsreihe ‚Dorfbesuch‘ sollen Beispiele der Region vor Ort besucht werden und so eine Plattform zum Austausch für Politische Akteure aber auch solche welche mit der Umsetzung betraut werden bieten. Am Dienstag 26. September 2017 war Premiere. Rund 25 Personen waren mit uns in der Region unterwegs.
Mit einer Extrafahrt der Wiler Busbetriebe machten sich rund 25 Vertreter der Gemeinden der Region sowie Kantonsvertreter auf den Weg nach Kirchberg, der ersten Station unseres Dorfbesuches. Frisch gestärkt mit Kaffee und Gipfeli gab Mary Sidler, OrtsWerte GmbH Wolhusen, Architektin und Stadträtin von Sempach einen ersten Einblick in das Thema, gefolgt von einem spannenden Einblick in die Ereignisse und Entwicklungen rund um die Zentrumsentwicklung Kirchberg Dorf-Süd/Harfenberg durch Roman Habrik, Gemeindepräsident Kirchberg. Nach einer kurzen Busfahrt nach Aadorf rundete die Begehung des kürzlich neugestalteten Kirchplatz mit Matthias Küng, Gemeindepräsident Aadorf und Ueli Signer, Leiter Bauverwaltung Aadorf den Vormittag ab.
Dorfkernaufwertung als Prozess, der gut geplant sein will
Warum ein Dorfkern aufgewertet werden soll, dazu gibt es verschiedene Gründe. Zentral ist sicher, dass hier in der Regel die Identifikation mit dem Dorf geschieht. Hier trifft man sich, hier tauscht man sich aus. Wohnen, Arbeiten, Begegnen: ein aktiver Dorfkern trägt dazu bei, dass das Leben in den Dörfern erhalten bleibt, sich eine lokale Wirtschaft etablieren kann, Kulturangebote genutzt werden und die Bevölkerung sich mit dem Dorf identifiziert und zum Beispiel auch in Vereinen aktiv ist und Aufgaben übernimmt. Grundsätzlich kann Dorfkernaufwertung über zwei Wege betrieben werden – ab besten beide in Kombination: bauliche Massnahmen und Belebung. Speziell bei baulichen Massnahmen gilt gemeinsam kann mehr erreicht werden. Schliessen sich zB. Grundeigentümer zusammen haben sie einen grösseren Spielraum, setzen sich die Vertreter verschiedener Stakeholder zusammen können Lösungen gefunden werden, welche mehrere Bedürfnisse adressieren. Solche Synergien nutzen bedeutet oft auch – insbesondere auf lange Sicht – kosten sparen. Bei einer Aufwertung durch beleben ist es in erster Linie zentral, das vorhandene Potential zu kennen und zu analysieren. Speziell Wohnen als Nutzung aber auch Nutzungen mit Publikumsbezug in den Erdgeschossen sind wichtig für einen belebten Dorfkern. Egal welchen Weg, ob mit baulichen Massnahmen und/oder durch Belebung, wichtig ist, dass das Ziel klar definiert ist und eine Idee über den Idealweg besteht. Dieser wird aber mit grösster Wahrscheinlichkeit durch ein paar Kurven ergänzt werden, denn Veränderung passiert weder geradlinig noch von heute auf morgen.
Kirchberg – mittels aktiver Bodenpolitik zur Zentrumsentwicklung
Bereits 2004 wurde mit dem Erwerb verschiedener Grundstücke der Polstermöbelfabrik Strässle eine längerfristige Chance für das Dorfzentrum Kirchberg identifiziert. Das Fabrikgebäude wurde saniert und dient heute diversen Publikumsorientierten Nutzungen (Bibliothek, Jugendzentrum,…). Die Nettoerträge aus den Liegenschaften fliessen in den Fonds der Spar- und Leihkasse mit welchem die lokalen Vereine unterstützt werden können. 2013 erwirbt die Familie Strässle ein noch unüberbautes Grundstück und reicht einen Überbauungsplan ein. Aufgrund diverser einsprachen verzichtet die Familie und die Gemeinde erwirbt das Grundstück. Parallel dazu wird die Überarbeitung der Ortsplanung fällig, welche eine neue Organisation nach dem Motto „Je zentraler umso dichter“ auch in den Planungsinstrumenten möglich macht. 2014 äussert die im Zentrum beheimatete Clientisbank Toggenburg AG Veränderungsbegehren – sie suchen einen neuen Standort möglichst im Dorfzentrum. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse plant die Landi zudem das Zentrum zu verlassen. Alle diese Faktoren führten dazu, dass der Gemeinderat eine Testplanung über das grosse, im Zentrum gelegene, zusammenhängende Gebiet mit potentiellen Veränderungen durchführen liess. 3 Interdisziplinierte Teams erarbeiteten darauf einen auf den Testplanungen basierenden Synthesebericht, welcher in einen Masterplan mündete, welcher nun mittels Sondernutzungsplänen weiter verfeinert und die neue Zentrumsgestaltung umgesetzt werden soll. Seit 2017 sind erste Planungen im Gange. Roman Habrik, Gemeindepräsident Kirchberg, betont insbesondere das Denken in grossen Zeiträumen, den guten Kontakt zu den Landeigentümern, das Erkennen von Chancen, die Grösse des zusammenhängenden Gebietes sowie die Möglichkeit zur Aufteilung in Teilprojekte als Erfolgsfaktoren.
Aadorf – auch Pflästerlipolitik kann etwas grosses Bewirken
Zwei Kirchenareale und einen verbindenden Platz, welcher von einer Strasse und Parkplätzen durchschnitten wird und eine abgebrannte Pizzeria dominieren die Situation. Nach einer umfangreichen Sanierung sehen wir einen einladenden Platz über den noch immer Autos fahren und auf dem Fahrzeuge abgestellt werden aber deutlich an Aufenthaltsqualität gewonnen hat. Ein schönes Beispiel für ‚es geht auch miteinander‘. Nötig wurde eine Sanierung aus diversen Gründen. Nicht zuletzt war die Bevölkerung ausschlaggebend für die Umsetzung: sie störte sich zunehmen an den Flickarbeiten, welche laufend an dem Platz vorgenommen werden. Die ‚Pfläschterlete‘ war ihnen ein Dorn im Auge. Die Neugestaltung des Platzes hat zudem dazu geführt, dass auch die Liegenschaften rund um den Platz saniert wurden oder Projekte dazu angedacht werden. „Das Ansteckungspotential ist nicht zu unterschätzen“, betont Matthias Küng, Gemeindepräsident Aadorf. Nur die Pizzeria, die gibt es hier leider nun endgültig nicht mehr. Auch in Aadorf zeigt sich, für eine Dorfkernaufwertung ist das Erkennen und Packen von Chancen der Schlüssel zum Erfolg. So wurde bereits vor rund 10 Jahren der Kern um das Gemeindehaus neu gestaltet. Auf der gegenüberliegenden Seite, der durch den Kern schneidenden Kantonsstrasse zeichnen sich Veränderungen bei Feuerwehr und Elektra ab. Das ermöglicht wiederum neuen Spielraum für die Weiterentwicklung des Zentrums und liefert der Gemeinde Argumente in die Hände um mit dem Lokalen Gewerbe und Detaillisten Verhandlungen zu führen. Denn ein Zentrum ohne Publikumsverkehr hat es schwer.