3. Dorfbesuch - Koexistenz statt Konkurrenz auf der Strasse vom 18.9.2018
Koexistenz wider Willen
Ein Vorzeigeprojekt, nicht nur beim Inhalt sondern auch beim Prozess. Auch kein Schnellschuss, sondern eine lange sorgfältige Entwicklung. Doch die abstimmende Bevölkerung will es nicht: das Betriebs- und Gestaltungskonzept Frauenfelderstrasse in Münchwilen. Die 3. Ausgabe des Dorfbesuchs der Regio Wil gab einen guten Anlass die Hintergründe zu durchleuchten und die Erfahrungen in die Regionsgemeinden zu tragen.
Ein Vorzeigeprojekt, nicht nur beim Inhalt sondern auch beim Prozess. Auch kein Schnellschuss, sondern eine lange sorgfältige Entwicklung. Doch die abstimmende Bevölkerung will es nicht: das Betriebs- und Gestaltungskonzept Frauenfelderstrasse in Münchwilen. Die 3. Ausgabe des Dorfbesuchs der Regio Wil gab einen guten Anlass die Hintergründe zu durchleuchten und die Erfahrungen in die Regionsgemeinden zu tragen.
Rund 20 interessierte Gemeindevertreter trafen sich bei erneut traumhaften Wetterbedingungen zum 3. Dorfbesuch. Das Thema diesmal: Das Betriebs- und Gestaltungskonzept – Koexistenz auf der Strasse und seine Herausforderungen. Auch wenn im Zusammenhang mit Betriebs- und Gestaltungskonzepten (BGK’s) oftmals Schlagworte wie Stau, Unfallschwerpunkte und T30 Zone fallen, sind Betriebs- und Gestaltungskonzepte ebenfalls wichtige Elemente zur qualitativen inneren Verdichtung sind, in dem sie die Organisation und Gestaltung des öffentlichen Raum thematisieren und somit Aufwertung von Ortskernen und Steigerung der Wohnqualität führen können. BGK’s sind ein ganzheitlicher Ansatz zur nachhaltigen Gestaltung von Verkehrsräumen im Siedlungsbereich und verfolgen das Ziel die verschiedenen Bedürfnisse im öffentlichen Raum zusammenzubringen und deren Koexistenz zu ermöglichen. Denn zu oft dominiert auf der Strasse das Prinzip der Konkurrenz.
Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Aufgabe hochkomplex ist. Gemeinden, Planer und Ingenieure sowie Kantone sind auf mehreren Ebenen gefordert. Bei der gemeinsamen Begehung einzelner Kernelemente des Projektes in Münchwilen wurden schnell einige Herausforderungen deutlich ersichtlich, planerisch wie auch organisatorisch.
Die grosse Frage in der Runde der Teilnehmenden ist dann auch: wie ist es möglich, den Bedürfnissen und den entsprechenden Unsicherheiten so zu begegnen, dass sich nicht nur Gegner zu Wort melden sondern auch Unterstützer des Projektes an die Urne gehen?
Die Gemeinde Münchwilen hat von der ersten Stunde des Projektes oft, breit und regelmässig informiert. Die Bevölkerung wurde mittels Ortsparteien und Interessenverbänden in die unterschiedlichen Arbeitsschritte involviert. Die Unbestrittenheit des Projektes im Gemeinderat sowie die Zustimmung aller Ortsparteien sprachen für das Projekt. Der Verband des Münchwiler Gewerbes unterstütze das BGK-Vorhaben. An mehreren öffentlichen Informationsanlässen sowie einem Auftritt an der Gewerbemesse Münchwilen wurde breit über das Projekt informiert und auf die Argumente und Befürchtungen der Kritiker eingegangen. Es wurde ein 1:1-Modell der angedachten Kernfahrbahn erstellt und an den Informationsveranstaltungen ausgelegt. Für Interessierte wurde eine Exkursion zum Wohl bekanntesten Beispiel Köniz organisiert. Diverse frei verfügbare Youtube-Filme zeigen auf wie die Koexistenzzone funktioniert – an umgesetzten Beispielen, nicht nur in der Theorie. Anfangs Herbst wurde der Münchwiler Bevölkerung (auch an nicht stimmberechtigte) zudem eine eigens für das BGK erstellte Broschüre zugestellt, weil in anderen Projekten damit gute Erfahrungen gesammelt wurden. Die Kritiker blieben hartnäckig auf ihren Standpunkten bestehen, obwohl diese grösstenteils entkräftet werden konnten. Die Befindlichkeiten liegen unterschiedlich: Ungutes Gefühl in der Magengrube, das geblieben ist, Angst davor erneut über den Tisch gezogen zu werden, da dies bereits vor 20 Jahren einmal passiert ist, eine Installation die erst vor 15 Jahren erstellt worden ist bereits wieder zurück zu bauen, die Fahrbahn ist zu schmal für bestimmte Kreuzungssituationen. Die Liste könnte noch länger sein. Entscheidend ist am Ende, wer seine Stimme an der Urne abgibt. Gespräche nach der Abstimmung haben gezeigt, dass sehr viele davon ausgegangen sind, dass das Projekt ohne Zweifel angenommen wird und deshalb ihre Ja-Stimme nicht eingereicht haben. Die Stimmbeteiligung von 25% zeigt, dass die laute Minderheit über die schweigende Mehrheit entschieden hat. Ein Phänomen, welches sich in jeder Gemeinde, Urnengang für Urnengang zeigt. In der Diskussion bestätigt sich, dass eine Stimmbeteiligung von über 30% kaum zu erreichen ist. Ein Problem mit dem nicht nur BGK’s zu kämpfen haben.
Wird ein Vorhaben an der Urne abgelehnt ist die Vermutung nicht weit, dass die Vorlage zu komplex, zu kompliziert war. Eine Problematik die zunehmend eine grosse Hürde für Infrastrukturprojekte wird. Dies hat auch der Städteverband erkannt und arbeitet an einfach verständlichen Argumentarien zur Unterstützung der Gemeinden. Beim hier besuchten Beispiel stimmt jedoch wohl eher, dass die Zeit noch nicht reif, der Leidensdruck trotz mehrerer Unfälle zu gering und die Befürworter zu leise waren. Die Thematik ist komplex. Mehr tun, um diese breit zu erklären und zu informieren wäre jedoch kaum möglich gewesen ohne in Propaganda zu verfallen. Das Fazit der Gemeinde Münchwilen ist dann auch: wir würden nochmals gleich vorgehen. Was bleibt ist der Handlungsbedarf. Dieser wird nun zu einem späteren Zeitpunkt angegangen werden müssen. Dann jedoch ohne Bundesbeiträge über das Agglomerationsprogramm. Dann zahlen die Münchwiler für sehr wahrscheinlich ähnliche Massnahmen doppelt so viel, wie wenn das BGK Frauenfelderstrasse Ende November 2017 angenommen worden wäre. Dieser ernüchternden Feststellung muss jedoch auch etwas Realismus gegenüber gestellt werden. Auch in Köniz gab es viele Gegner und Zweifler, auch dort hat es 15 Jahre gebraucht um zu einer Akzeptanz zu gelangen, welche dem Koexistenzkonzept eine positive Grundeinstellung verliehen hat. Die Veranstaltung wurde dann auch mit dem Zitat von Max Weber geschlossen, der die Politik mit dem Bohren harter Bretter verglichen hat.
Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Aufgabe hochkomplex ist. Gemeinden, Planer und Ingenieure sowie Kantone sind auf mehreren Ebenen gefordert. Bei der gemeinsamen Begehung einzelner Kernelemente des Projektes in Münchwilen wurden schnell einige Herausforderungen deutlich ersichtlich, planerisch wie auch organisatorisch.
- Enge Platzverhältnisse aufgrund einer Frauenfeld-Wil-Bahn zur einen Seite sowie des bebauten Strassenzuges auf der anderen Seite führten in der Vergangenheit vermehrt zum Lösungsansatz des kombinierten Geh-/Radweges. Inzwischen hat sich gezeigt, dass der Konfliktpunkt zwischen Fahrradfahrenden und Zufussgehenden mindestens ebenso gewichtig ist wie mit den Automobilisten oder Lastwagenfahrenden. Die Entwicklung mit den Elektrofahrrädern brachte neue Aspekte im Bereich Geschwindigkeit hinzu. Dies führt dazu, dass vermehrt wieder separierte Fahrradstreifen erstellt werden. Hinzu zur Platzfrage kommen sichere Warteräume. Im Fall des BGK Frauenfelderstrasse bestehen diverse Querungen der Gleisanlage der Frauenfeld-Wil-Bahn. Ein neuer Ansatz für das Platzproblem ist gefordert.
- Für die Umsetzung des BGK’s bräuchte es 3‘000 m2 Land. Rund 2‘100 m2 davon ist im Besitz von Privaten. Von den meisten brächte es nur ein paar wenige m2, zum Teil nicht mal ein ganzer. Mit den meisten konnte eine gute Einigung gefunden werden. Aber nicht mit allen.
- Ein weiteres Thema sind gesicherte Querungen für Fussgänger. Menschen haben das Bedürfnis nach Sicherheit. Fussgängerstreifen erfüllen diesen Zweck. Mehrere Studien haben inzwischen aufgezeigt, dass die meisten Unfälle auf Fussgängerstreifen geschehen. Die Fachwelt reagiert darauf mit flächigem Queren um so, die vermeintliche Sicherheit in neuerliche Achtsamkeit zu transferieren – und dabei den Verkehrsfluss erst noch zu erhöhen. Doch wie gewinnt ein technisches System gegen ein unsicheres Bauchgefühl? Schulkinder und Querende die etwas länger brauchen sind zwar ein wichtiger Teil in den Überlegungen eines BGK’s, nur das leise Misstrauen verweilt gerne in der Magengegend. Verständlich.
Die grosse Frage in der Runde der Teilnehmenden ist dann auch: wie ist es möglich, den Bedürfnissen und den entsprechenden Unsicherheiten so zu begegnen, dass sich nicht nur Gegner zu Wort melden sondern auch Unterstützer des Projektes an die Urne gehen?
Die Gemeinde Münchwilen hat von der ersten Stunde des Projektes oft, breit und regelmässig informiert. Die Bevölkerung wurde mittels Ortsparteien und Interessenverbänden in die unterschiedlichen Arbeitsschritte involviert. Die Unbestrittenheit des Projektes im Gemeinderat sowie die Zustimmung aller Ortsparteien sprachen für das Projekt. Der Verband des Münchwiler Gewerbes unterstütze das BGK-Vorhaben. An mehreren öffentlichen Informationsanlässen sowie einem Auftritt an der Gewerbemesse Münchwilen wurde breit über das Projekt informiert und auf die Argumente und Befürchtungen der Kritiker eingegangen. Es wurde ein 1:1-Modell der angedachten Kernfahrbahn erstellt und an den Informationsveranstaltungen ausgelegt. Für Interessierte wurde eine Exkursion zum Wohl bekanntesten Beispiel Köniz organisiert. Diverse frei verfügbare Youtube-Filme zeigen auf wie die Koexistenzzone funktioniert – an umgesetzten Beispielen, nicht nur in der Theorie. Anfangs Herbst wurde der Münchwiler Bevölkerung (auch an nicht stimmberechtigte) zudem eine eigens für das BGK erstellte Broschüre zugestellt, weil in anderen Projekten damit gute Erfahrungen gesammelt wurden. Die Kritiker blieben hartnäckig auf ihren Standpunkten bestehen, obwohl diese grösstenteils entkräftet werden konnten. Die Befindlichkeiten liegen unterschiedlich: Ungutes Gefühl in der Magengrube, das geblieben ist, Angst davor erneut über den Tisch gezogen zu werden, da dies bereits vor 20 Jahren einmal passiert ist, eine Installation die erst vor 15 Jahren erstellt worden ist bereits wieder zurück zu bauen, die Fahrbahn ist zu schmal für bestimmte Kreuzungssituationen. Die Liste könnte noch länger sein. Entscheidend ist am Ende, wer seine Stimme an der Urne abgibt. Gespräche nach der Abstimmung haben gezeigt, dass sehr viele davon ausgegangen sind, dass das Projekt ohne Zweifel angenommen wird und deshalb ihre Ja-Stimme nicht eingereicht haben. Die Stimmbeteiligung von 25% zeigt, dass die laute Minderheit über die schweigende Mehrheit entschieden hat. Ein Phänomen, welches sich in jeder Gemeinde, Urnengang für Urnengang zeigt. In der Diskussion bestätigt sich, dass eine Stimmbeteiligung von über 30% kaum zu erreichen ist. Ein Problem mit dem nicht nur BGK’s zu kämpfen haben.
Wird ein Vorhaben an der Urne abgelehnt ist die Vermutung nicht weit, dass die Vorlage zu komplex, zu kompliziert war. Eine Problematik die zunehmend eine grosse Hürde für Infrastrukturprojekte wird. Dies hat auch der Städteverband erkannt und arbeitet an einfach verständlichen Argumentarien zur Unterstützung der Gemeinden. Beim hier besuchten Beispiel stimmt jedoch wohl eher, dass die Zeit noch nicht reif, der Leidensdruck trotz mehrerer Unfälle zu gering und die Befürworter zu leise waren. Die Thematik ist komplex. Mehr tun, um diese breit zu erklären und zu informieren wäre jedoch kaum möglich gewesen ohne in Propaganda zu verfallen. Das Fazit der Gemeinde Münchwilen ist dann auch: wir würden nochmals gleich vorgehen. Was bleibt ist der Handlungsbedarf. Dieser wird nun zu einem späteren Zeitpunkt angegangen werden müssen. Dann jedoch ohne Bundesbeiträge über das Agglomerationsprogramm. Dann zahlen die Münchwiler für sehr wahrscheinlich ähnliche Massnahmen doppelt so viel, wie wenn das BGK Frauenfelderstrasse Ende November 2017 angenommen worden wäre. Dieser ernüchternden Feststellung muss jedoch auch etwas Realismus gegenüber gestellt werden. Auch in Köniz gab es viele Gegner und Zweifler, auch dort hat es 15 Jahre gebraucht um zu einer Akzeptanz zu gelangen, welche dem Koexistenzkonzept eine positive Grundeinstellung verliehen hat. Die Veranstaltung wurde dann auch mit dem Zitat von Max Weber geschlossen, der die Politik mit dem Bohren harter Bretter verglichen hat.